Das Geld fehlt überall

Die wirtschaftliche Misere der Fußball-Bundesliga ist trotz leichter Konsolidierung längst nicht überwunden. Wer wie Schalke 04 viel riskiert und nicht mindestens Fünfter wird, hat ein Problem

VON CHRISTIAN MIXA

Das Stück ist inzwischen hinlänglich bekannt, nur die Hauptdarsteller wechseln von Spielzeit zu Spielzeit. Vor zwei Jahren war es der 1. FC Kaiserslautern, der wegen Lizenzverstößen mit Punkteabzug bestraft wurde. Das Finanzchaos bei Borussia Dortmund war der Dauerbrenner der letzten Rückserie. Jetzt sorgt Reviernachbar Schalke 04 schon vor dem Start der neuen Saison für Gesprächsstoff. Der Schalke-Vorstand präsentierte kürzlich eine äußerst wacklige Bilanz für das Geschäftsjahr 2003. Ohne eine in Fachkreisen umstrittene Aufwertung des alten Parkstadiongeländes hätte der Revierklub eine Überschuldung in zweistelliger Millionenhöhe melden müssen. Für Bilanzexperten ist es vor allem problematisch, dass das Vermögen der Königsblauen größtenteils aus Beteiligungen an vereinseigenen Betrieben wie der Arena-Gesellschaft besteht – Forderungen, die letzten Endes an sich selbst gerichtet sind. Bleiben die Einnahmen, vor allem aus dem Arena- Geschäft, künftig aus, kann es Schalke schnell an die Existenz gehen. Im Moment spielt die Vereinsführung noch auf Zeit. „Haarig wird es erst, wenn wir mal mehrere Jahre hintereinander mit diesem Verlust abschließen“, so Finanzvorstand Josef Schnusenberg, der aber auch einräumt: „Das Erreichen eines internationalen Wettbewerbs würde die Konsolidierung erheblich beschleunigen.“

Letztes Jahr Dortmund, nun also Schalke – ist man versucht zu sagen. Doch die Zahlen belegen, dass Schulden ein Problem fast aller Klubs sind. Laut offiziellen Angaben der DFL beträgt der gesamte Schuldenstand der ersten und zweiten Bundesliga 670 Millionen Euro. Vor dem Einbruch am Fernsehmarkt hatten die Vereine auf lange Sicht mit hohen TV-Einnahmen kalkuliert, dieses Geld fehlt ihnen nach wie vor. Manche sitzen jetzt noch auf teuren Spielerverträgen aus der Zeit vor der Kirch-Krise. Darüber hinaus krankt es auch am System, erklärt Arnd Hovemann von der Unternehmensberatung Ernst & Young: „Es gibt einen Rüstungswettlauf um die ersten fünf Plätze, die sehr hohe Einnahmen versprechen. Dies verleitet manche Vereine zu Investitionen und Vorleistungen, die dann beim Nichterreichen eines internationalen Wettbewerbs nur schwer finanzierbar sind.“ Immerhin haben die Vereine den Ernst der Lage inzwischen erkannt. Drei Viertel aller Bundesliga-Manager stufen die Verschuldung inzwischen als existenzbedrohend ein, haben die Ernst-&-Young-Manager kürzlich bei einer Studie herausgefunden.

Viele Vereine versuchen deshalb weiter, ihre Ausgaben herunterzufahren. Nicht alle sind dabei so erfolgreich wie der VfB Stuttgart, der eine Halbierung seiner Schulden bekannt gab, natürlich auch dank des Geldregens aus der Champions League. Die meisten Klubs verpflichten inzwischen vorzugsweise ablösefreie Spieler, die Summe der Spielertransfers für die gesamte Liga ist mit etwas mehr als 60 Millionen Euro ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres stecken geblieben. Sieht man einmal von den Topstars ab, sind jetzt auch Gehaltskürzungen und erfolgsabhängige Verträge leichter durchzusetzen als früher. Da wo die Etats gestiegen sind, etwa in Mönchengladbach und Hannover, rechnen die Manager mit Mehreinnahmen aus den modernisierten Stadien.

Wirtschaftsexperten wie Hovemann sprechen schon von einer Phase der Konsolidierung, sehen die Liga aber auch an einem Scheideweg: „Die Schere zwischen großen und kleinen Vereinen geht weiter auseinander.“ Der Trend zeichnet sich schon seit längerem bei den Sponsorengeldern ab. Für die reichen Vereine, die bereits erfolgreich wirtschaften, ist es zudem immer einfacher, sich neues Kapital zu besorgen – und damit mittelfristig auch sportliche Erfolge zu erzielen. Generell ist die Kreditwürdigkeit von Fußballunternehmen bei den Banken aber gesunken. Darunter leiden vor allem die ärmeren Klubs, für die es künftig noch schwieriger wird, Kredite zu bekommen, auch wegen strengerer Vergaberichtlinien in der Kreditwirtschaft. Weil auch bei den TV-Einnahmen und beim Sponsoring nur ein moderates Wachstum zu erwarten ist, müssen sich die Profiklubs nach neuen Finanzierungsquellen umschauen.

Eine Verpfändung von Zuschauereinnahmen („Schechter-Anleihe“) wie bei Schalke 04 kommt dabei nur für umsatzstarke Vereine in Frage. Der 1. FC Köln hat vor kurzem als erster deutscher Profiklub so genannte Genuss-Scheine ausgegeben. Bei dieser Anleihe bekommt der Anleger einen relativ geringen jährlichen Basiszins (zwei bis drei Prozent). Beim Erreichen bestimmter sportlicher Ziele, etwa einer guten Endplatzierung in der Meisterschaft oder Erfolge in nationalen oder internationalen Wettbewerben, winkt ein stattlicher Bonus. Ein für Fußballvereine „prinzipiell geeignetes Finanzierungsinstrument, weil es die Möglichkeit bietet, das sportliche Risiko auf den Investor abzuwälzen“ (Hovemann). Der Klub aus der Domstadt will so die Eigenkapitaldecke um insgesamt 10 Mio. Euro stärken. „Für die Zukunft erhoffen wir uns dadurch mehr Chancen, einen strategischen Partner zu bekommen“, so FC-Geschäftsführer Claus Horstmann. Solche langfristigen Beteiligungen aus der Wirtschaft sind bei allen Profiklubs heiß begehrt. Bislang hat sich allerdings nur Adidas als Gesellschafter beim FC Bayern eingekauft. Genau wie die Banken zweifeln auch viele Unternehmen an der Kreditwürdigkeit der Fußballunternehmen.

Dennoch: Die Gefahr einer Insolvenz ist in Deutschland so schnell nicht gegeben, dafür sorgen nicht zuletzt auch die relativ strengen Lizenzauflagen in der DFL. Im internationalen Vergleich, vor allem zu Italien und Spanien, steht die Bundesliga finanziell immer noch sehr gut da. Zur neuen Saison wird das europäische Lizenzierungsverfahren eingeführt. Die Bundesliga verspricht sich hiervon bei konsequenter Durchsetzung eine deutliche Aufwertung. In Italien sind jetzt erstmals ernsthafte Bemühungen hin zu einem Sparkurs erkennbar.